Seetaler Poesiesommer 2023

September

Sonntag, 3. September, Wettingen, 16 Uhr

«Vater war für mich stets ein Mann der Landschaft… und wenn ich am Morgen erwachte, kam er meistens schon aus ihr zurück. Er brachte alle ihre Gerüche mit ins Haus, so stand er da vor meinen noch verschlafenen Augen, mit Gewehr und Beute – oder mit der Fischerrute, er roch nach Wald, Wild und Sumpf, Fisch und herbem Gras, und die ganze Natur schien an ihm zu haften…». Was der Engadiner Bildhauer Giuliano Pedretti über seinen Vater, den Maler Turo Pedretti, schrieb, charakterisiert auch den Künstler Eduard Spörri, der ebenfalls ein Jäger – und ein Freund der Familie Pedretti war. Die von Marc Seidel kuratierte Ausstellung Wau! Tiere als Kunst. widmet sich dem Tier in der Kunst und zeigt Darstellungen von Künstlern verschiedener Generationen. Ort: Museum Spörri, Bifangstrasse 17a.

Donnerstag, 7. September, St. Urban, Kloster, 17 Uhr

«vremurile înainteazā deasupra florilor scuturate // nu compara nimic aici unde focul arde / în preajma lucrurilor utile» – «die Zeiten schreiten über die zerstreuten Blumen fort // vergleiche nichts mit hier, wo das Feuer brennt / in der Nähe der nützlichen Dinge»: Ioan Vieru (*1962 in Târgu Neamt, Rumänien), ist Lyriker, Essayist und Journalist. Er hat zwölf Lyrikbände publizert, u.a. in der Reihe Rumänische Dichter der Gegenwart, sowie Essays, Übersetzungen, Interviews und Kunstkritiken. Seit 1994 leitet er die Zeit-schrift für Literatur und Kunst Contrapunct. In St. Urban liest er aus seinem lyrischen Werk, die deutsche Übersetzung besorgt Florica Marian (Les Diablerets/Riedtwil). – Treffpunkt: Vor der Klosterkirche.

Freitag, 8. September, Celerina, 15 Uhr

«… ich gebe jedem in diesem Raum zehn Minuten Zeit, um diese Skulpturen, die hier stehen, genau zu betrachten. Und dann nimmt jeder ein Blatt Papier und versucht, die wichtigsten Dinge festzumachen. Es wird nicht gelingen», legte der Museumsdirektor und Kunsthistoriker Jean-Christophe Ammann 2005 dem geneigten Publikum im Frankfurter Literaturhaus anlässlich eines Gesprächs mit dem Engadiner Bildhauer Giuliano Pedretti dar. Das Experiment kann am Ort, wo diese Skulpturen entstanden sind, nachvollzogen werden. – Ort: Atelier Giuliano Pedretti, Via Maistra 36.

Samstag, 9. September, Boniswil, 14.30 Uhr

«L’aua es blaua»: Wasser heisst auf Vallader aua. Und Wasser erscheint uns blau. Die Künstlerinnen Regula Verdet-Fierz (Guarda) und Anja Mikulikova (Langenthal) stellen das zentrale Lebenselement in weitere Zusammenhänge. Darüber hinaus steht Wasser mit Recycling, dem Thema der Europäischen Tage des Denkmals, in enger Beziehung. Eine Zusammenarbeit mit der Historischen Vereinigung Seetal. – Ort: Kulturplatz Boniswil, Dörflistrasse 1.

Sonntag, 10. September, Schloss Hallwyl, 11 Uhr

Ein dem Wasser gewidmeter Spaziergang mit Daniel Humbel, Präsident der Historischen Vereinigung Seetal, und den Künstlerinnen Regula Verdet-Fierz (Guarda) und Anja Mikulikova (Langenthal) zum Kulturplatz Boniswil an der Dörflistrasse 1, wo unser Lebenselement an den Europäischen Tagen des Denkmals eine künstlerische Würdigung erfährt.  Um 14.30 Uhr führen die beteiligten Künstlerinnen durch die Ausstellung. – Treffpunkt: Schloss Hallwyl, 11 Uhr.

Montag, 11. September, Hochdorf, 10 Uhr

«Kulturmontage»: Eine Plattform für das Erproben des Zusammenspiels verschiedener Künste, gleich einer Montage, die Werke und künstlerische Ideen in einen Prozess mit offenem Ausgang führt und nicht Ausformuliertes in nuce experimentell zur Sprache bringt. Mit Regula Verdet-Fierz (Guarda) und Hansruedi Zeder (Hochdorf). Ort: c/o Zeder Lehmann, Urswilstrasse 29.

Freitag, 15. September, Celerina, 15 Uhr

«Men Tapun, il paur da Calögna, avaiva darcheu üna jada gnü furtüna sün la chatscha», beginnt die Erzählung Las Trais Cruschas da Men Tapun des Ingenieurs und Dichters Men Rauch (†1958) aus Scuol. Eine Gipsbüste im Atelier von Giuliano Pedretti erinnert an den begabten Unterengadiner. Men Rauch war der Künsterfamilie Pedretti freundschaftlich verbunden; er verfasste nicht nur Jagdgeschichten, sondern auch lebendige Porträts von prominenten Leuten aus dem Engadin – und eine Anleitung zum Anfertigen von Holzschnitten. – Ort: Atelier Giuliano Pedretti, Via Maistra 36.

Montag 18. September, Hochdorf, 10 Uhr

«Kulturmontage II»: Eine Plattform für das Erproben des Zusammenspiels verschiedener Künste, gleich einer Montage, die Werke und künstlerische Ideen in einen Prozess mit offenem Ausgang führt und nicht Ausformuliertes in nuce experimentell zur Sprache bringt. Mit Beatrice Hauenstein (Langnau i.E.) und Hansruedi Zeder (Hochdorf)– Ort: c/o Zeder Lehmann, Urswilstrasse 29. 

Freitag, 22. September, Celerina, 15 Uhr

«Eu craj cha tuot que nun ais pussibel in nossa cuntredgia, cun tuot quels extrems, dad ot e bass, dad agressivited da fuormas e glüsch.» In einem Brief aus Südfrankreich, datiert am 21. Dezember 2001, berichtet der Bildhauer Giuliano Pedretti über Besuche der Ateliers von Cézanne, Renoir und Picasso – und den Einfluss der Landschaft und des Lichts auf die Kunst. Im Engadin seien die Voraussetzungen des künstlerischen Schaffens indes verschieden, die landschaftlichen Formen aggressiver, das Licht anders. Pedrettis Beobachtungen ermöglichen Rückschlüsse auf sein eigenes Werk, in dem Licht und Schatten eine zentrale Rolle spielen. – Ort: Hotel Cresta Palace, Garten.

Samstag, 23. September, Poschiavo, 12.30 Uhr

«Dio me ne guardia da un bon Fevrè.» – «Gott behüte mich vor einem schönen Februar.» Pfarrer Georg Leonhardi aus Brusio notiert diese Redensart in seinem 1859 erschienenen Werk Das Poschiavino-Thal und schreibt: «Alte Leute behaupten, dass sich das Klima bedeutend verschlimmert habe… Die Sonne und die lauen Lüfte Italiens erzeugen noch jetzt in Poschiavo bisweilen auffallende Erscheinungen, z.B. reife Erdbeeren im October, blühende Rosen in offenen Gärten zur Weihnachtszeit…».  Welche Entdeckungen der Ort am 23. September 2023 bereithält, weiss nur, wer sie selber macht und zu Blatt bringt. Die Poesiesommer-Reihe Die Schweiz schreiben – Écrire la Suisse – Scrivere la Svizzera – Scriver la Svizra lädt dazu ein, sich Zeit für das eigene Schreiben zu nehmen und Poschiavo mit einer Prosaskizze, einem Haiku oder einer tagebuchartigen Notiz schreibend zu begegnen. – Treffpunkt: Casa Tomé, Via di Puntunai 15.

Montag, 25. September, Hochdorf, 10 Uhr

«Kulturmontage III»: Eine Plattform für das Erproben des Zusammenspiels verschiedener Künste, gleich einer Montage, die Werke und künstlerische Ideen in einen Prozess mit offenem Ausgang führt und nicht Ausformuliertes in nuce experimentell zur Sprache bringt. Ausgehend von Werken des Künstlers René Böll (Köln) schlägt Hansruedi Zeder am Flügel den Bogen von Farbklängen zu Klangfarben. Eine beflügelnder Versuch mit Bildern und Tönen.– Ort: c/o Zeder Lehmann, Urswilstrasse 29.

Mittwoch, 27. September, Sent, 14 Uhr

«La giassa ais stipa / at ferma ün mumaint / la prescha dal muond / nu’t renda cuntaint»: Eine Hausinschrift in Sent lädt den Passanten ein, einen Augenblick zu verweilen – Eile mache nicht glücklich. Jon Pult, der die Inschrift verfasste, erwähnt im Aufsatz Inscripziuns sün chasas da Sent, dass es in der Gemeinde Sent die meisten Hausinschriften im ganzen Engadin gebe. Für Inspiration bei diesem Besuch im stattlichen Unterengadiner Dorf ist somit gesorgt. Wer immer in den steilen Gassen Begegnungen macht, halte sich an eine weitere Inschrift: «Salüdast a mai, schi salüd eu a tai. / E’ns dain ün a l’oter ün raz da sulai.» Ein Gruss entfaltet in diesem schönen Idiom wahrlich eine Wirkung gleich einem Sonnenstrahl. –Treffpunkt: Sent Plaz, beim Brunnen.

Freitag, 29. September, Gersau, 12 Uhr

«Det är bokstavligen ett överjordiskt landskap mot vilket koskällsidyllen däruppe under björkarna blir banal» – «Das ist buchstäblich eine überirdische Landschaft gegen welche die Kuhglockenidylle dort oben unter den Birken banal wirkt», lobt August Strindberg in der Erzählung Upp till solen die Aussicht auf die Schneeberge von den Höhen Gersaus, die er an einem tristen Novembertag 1886 erklomm, nachdem sich die Sonne während seines Aufenthalts am Vierwaldstättersee während drei Wochen nicht gezeigt hatte. Welche Perspektiven der Ort am 29. September 2023 bietet, erfährt nur, wer sie selber wahrnimmt und zu Blatt bringt. Die Poesiesommer-Reihe Die Schweiz schreiben lädt dazu ein, sich Zeit für das eigene Erkunden zu nehmen und Gersau mit einer Prosaskizze, einem Haiku oder tagebuchartigen Notizen schreibend zu begegnen. – Treffpunkt: Schiffstation.

Freitag, 29. September, Anglikon, 19.30 Uhr

Das Damselfly Trio mit Liz Pearse (Sopran), Chesea Czuchra (Querflöten) und Lindsay Buffington (Harfe) konzertieren mit der Lyrikerin Ingrid Fichtner im Atelier Christine Hinrichs. Platzzahl beschränkt  (Anmeldungen an: chelseaczuchra(at)gmail.com). – Adresse: Im Winkel 3, 5611 Anglikon.

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Eintritt: Fr. 15.-

Die Programme Oktober und November erscheinen Ende des Vormonats.

Reservationen / Anfragen sind erbeten an: ulrich.suter.kultur@bluewin.ch

 

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Peter Halter Stiftung
Kulturkommission Hochdorf
Vereinigung Pro Heidegg
Historische Vereinigung Seetal