Seetaler Poesiesommer 2025
November
«Im Nebel ist die Landschaft ein weisses Blatt du / wendest es langsam liest Vorab-/drucke von Fussnoten…» schrieb der Schriftsteller und Altphilologe Virgilo Masciadri in seiner Mansarde an der Zelglistrasse in Aarau. Seine Schreibstube inspiriert noch heute und bietet anderen Literaten Gelegenheit, ihre Texte vorzustellen. Der Autor Max Dohner (Baden) ergreift diese Carte blanche und präsentiert einen Essay zum Thema «Literatur als geistige Landschaft». – Angela Weber-Hohlfeldt (Seon) reflektiert in ihren Texten und Fotografien die Natur und plädiert für «mehr Wildnis». Im Gedicht Monokultur schreibt sie: «Wenn’s nur noch eine / Wahrheit gibt angeblich / Dann wird die Welt zum Grab». 2016 publizierte die in der DDR aufgewachsene Autorin und Anglistin das Buch Max Frisch – Alfred Andersch: eine widersprüchliche Freundschaft. – Ort der Lesung: Zelglistrasse 60.
«Sembra eccessivo l’odore / di gelsomino in cui vo ringioto / da questa farfalla / bianchissima che vòlita / vantadosi di nulla / e in cima alla salita controvento / sbietta verso un giardino, / si posa su un corimbo / di melo, si fa fiore.» – «Es scheint übertrieben zu sein, / der Jasminduft, in den ich verschluckt / werde durch diesen milchweissen / Schmetterling in seinem Flattern, / in seinem Mit-nichts-sich-Brüsten, / und zuoberst auf der Anhöhe schwenkt er / im Gegenwind hin zum Garten, / setzt sich auf eine Apfelbaum-/ dolde, wird Blüte.» Dieses späte Gedicht von Giorgio Orelli findet sich im eben erschienenen zwei-sprachigen Band Am Rande des Lebens – L’orlo della vita, für den Christoph Ferber (Ragusa) aus den letzten Gedichten des 2013 verstorbenen Tessiner Dichters eine Auswahl traf und sie übersetzte. Ebenfalls 2025 sind aus dem Nachlass des 2014 verstorbenen Lyrikers Virgilio Masciadri Gedichte unter dem Titel Ultimo Canto erschienen, die Monica Oliari (Aarau) auf Italienisch übersetzt hat – Texte von grosser Eindringlichkeit: «Aufblättern die / Agenda zum nächsten Jahr / Sommer- / monate ansehen von denen / keiner weiss ob sie je / wiederkommen / wo / bin ich dann wenn einer / diese Tage zählt? Meine / Pläne reichen nicht / weiter als bis zur nächsten / Dämmerung und wo / ist die die Quelle aus der / uns die Zeit zufliesst zu den besten / Stunden so reichlich / unsere Hände füllt dass wir / nicht merken / wie sie / uns durch die Finger rinnt?» – «Sfogliare l’agenda / al prossimo anno / mesi / d’estaste sotto agli occhi / dei quali nessuno sa se mai / ritorneranno / dove / sarò io allora quando uno / conterà questi giorni? I miei / progetti non bastano / al prossimo / crepuscolo e dove / è la fonte da cui / a noi affluisce il tempo nelle / ore così riccamente / riempie le nostre mani da / non accorgerci come / ci scivoli tra le dita?» Cornelia Masciadri und Monica Oliari stellen die beiden herausragenden Lyriksammlungen vor und weisen auch auf Eigenheiten der Übersetzung hin. – Treffpunkt: vor der Klosterkirche.
L’eau et les rêves lautet ein Kapitel im Band Gesammelte Gedichte 2010-2023 der in Waldkirch lebenden Autorin Eva-Maria Berg. Ihre Gedichte handeln von Räumen und Zeiten, vom Menschen, den Elementen. Und sie laden dazu ein, der Welt vorurteilslos zu begegnen: «aber das licht / spricht dagegen / nur schwarz / zu sehen / aber das licht / spricht auch / von gefahr / sich blenden / zu lassen / statt alle / nuancen / wahrzunehmen». Ihre jüngste Publikation hat die Autorin der Stadt Marseille gewidmet, wo sie manchen Schreibaufenthalt verbracht hat. – Ort der Lesung: Zelglistrasse 60.
«Confine // Ci protegge dall’altro / a giorni alterni, / ci difende dall’oltre / informe.» – «Grenze // Sie bewahrt uns vor Anderem, / einen Tag, einen nicht, beschützt uns vor Jenseitigem, das unförmig ist», schreibt Pietro Montorfani (Cassarate) in seinem Gedichtband Der Schatten der Welt – L’ombra del mondo. Christoph Ferber (Ragusa) hat die Gedichte des Tessiner Autors übersetzt. Sie sind diesen Herbst im Caracol Verlag (Warth) erschienen. Cornelia Masciadri (Hunzenschwil) stellt an dieser Buchvernissage zusammen mit dem Autor ausgewählte Texte vor. – Unweit der Grenze zu Österreich und Italien, nämlich in Scuol, ist die romanische Autorin Romana Ganzoni (Celerina) geboren. Aus ihren Gedichten und lyrischen Kurztexten sprechen intensives Erleben und Beobachten. – Eine kulturelle Brücke ins Welschland und bis nach Marokko schlagen der welsche Lyriker Bruno Mercier (Lausanne) und die Malerin Annette Korolnik (Loco TI) mit literarischen und visuellen Beiträgen. Hansruedi Zeder (Hochdorf) bereichert den multidisziplinären Nachmittag mit Clavichordkompositionen aus der Schweiz und Europa. – Adresse: c/o Zeder Lehmann, Urswilstrasse 29. – Treffpunkt für Ortsunkundige: Bahnhof Hochdorf, 12.45 Uhr.
« Ni début ni fin de ce qui reste du jour / à sept heures passées… » «Kein Anfang und kein Ende was vom Tag / geblieben ist: nach sieben Uhr…»: Die Übersetzerin Corinne Verdan-Moser (Chardonne) präsentiert mit Cornelia Masciadri, der Schwester des Dichters Virgilio Masciadri (1963-2014) die dreisprachige Ausgabe Ultimo canto von dessen Gedichten aus dem Nachlass. – Ort: Magasin de mots, Rue du Village 12.
«… so könnt ich dir schreiben das Beste / was ich dazugelernt habe sei / gleichgültig / zu sein so wie jetzt beim Warten auf die/ses Boot das mich mitnimmt irgendwohin wo / mein Gesicht / nur noch eins ist wie alle und niemand mich mehr fragt was sonst noch / sein könnte… »: Zum Langgedicht Ultimo Canto von Virgilio Masciadri hat der italienische Komponist Stefano Ghisleri eine Sonate geschrieben, die er erstmals öffentlich aufführt (Vorpremiere). – Adresse: c/o Strebel Masciadri, Bahnhofstrasse 15.
Ultimo Canto – Uraufführung. «… nell’attesa di un qualsiasi possibile / mesaggio / senza / contarci», endet Virgilio Masciadris Langgedicht Ultimo Canto in der italienischen Übersetzung von Monica Oliari (Aarau). Corinne Verdan-Moser (Chardonne) hat es auf Französisch übersetzt. Zusammen mit dem deutschen Original, das Cornelia Masciadri (Hunzenschwil) vorträgt, ist es an dieser Vernissage dreisprachig zu hören. Der Komponist und Pianist Stefano Ghisleri (Brescia) spielt dazu seine gross angelegte viersätzige Sonate Ultimo Canto als Uraufführung. – Hinweise auf das wissenschaftliche Werk des Dichters und Altphilologen Masciadri gibt der Historiker Beat Näf (Aarau) und zum Abschluss dieser Matinée präsentieren Manuel Jegerlehner (Klavier) und Luisa Murmann (Gesang) eine weitere Komposition zu einem Gedicht des Aargauer Lyrikers. – Ort: Alte Kantonsschule, Aula, Bahnhofstrasse 91.
* * *
Reservationen / Anfragen sind erbeten an: ulrich.suter.kultur@bluewin.ch
* * *
Kulturkommission Hochdorf
Vereinigung Pro Heidegg
Historische Vereinigung Seetal