Seetaler Poesiesommer 2023

Das Erleben des poetischen Moments bildet den Angelpunkt des Seetaler Poesiesommers. Das Festival der leisen Töne lebt auch in der 24. Ausgabe von seiner Spontaneität und regt an, dass sich Kultur im lokalen und (inter-)nationalen Austausch mitteile, unter Bäumen und im Salon, im Atelier oder im Ried, auf Burgen und im Ruderboot, stets mit Blick auch auf Entlegenes, mit 50 Anlässen von Juli bis November.

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Eröffnung mit alt Bundesrat Joseph Deiss

Samstag, 8. Juli, Schloss Heidegg, 11 Uhr

«Seit mehr als einem Jahrtausend geleitet die Via Francigena Pilger von Canterbury nach Rom […]. Da ich die 1200 Kilometer der Strecke von Freiburg nach Rom bereits zurückgelegt habe, mache ich mich auf den Weg nach England», schreibt Joseph Deiss, alt Bundesrat und passionierter Wanderer, in seinem jüngsten Buch Als Fernwanderer unterwegs – Begegnungen entlang der Via Francigena. Nach 33 Etappen und unzähligen Erlebnissen resümiert er als Pilger mit breitem historischem Wissen: «Die langen Stunden der Einsamkeit und des Nachdenkens, die Entbehrungen des auf ein Minimum reduzierten Alltags, die Müdigkeit und manchmal die Entrüstung, wenn er sich verirrt, enden meistens mit dem Erreichen einer gewissen Gelassenheit, die es ihm ermöglicht, sich mit seinen Ungewissheiten zurechtzufinden. Vergessen wir nicht, dass die Spanne zwischen individuellem Werweissen und Selbstironie sehr schmal ist und es immer heilsam sein kann, diese zu überspringen. Das ist der Zustand, in dem ich mich heute befinde: Ich verstehe und finde mich damit ab, dass das Jenseits stumm bleibt.» Eine beredte Präsentation des Autors, die den Zuhörer an einem zentralen Teil europäischer Kulturgeschichte teilhaben lässt.

Montag, 10. Juli, Zeihen, 10 Uhr

Zeihen ist der Heimatort von alt Bundesrat Joseph Deiss – und dieser seit 2007 ihr Ehrenbürger. Wie die Via Francigena einen Blick tief in die europäische Geschichte ermöglicht, so reicht die Aussicht vom Zeiher Homberg über den Tafeljura weit bis in den Schwarzwald und die Vogesen. Der Band «Zeihen» aus der Reihe Die Schweiz lesen, herausgegeben von Ulrich Suter, lädt zum Entdecken der Gemeinde im obersten Fricktal ein. – Treffpunkt: Gemeindeverwaltung, Bahnhofstrasse 4.

Dienstag, 11. Juli, Schongau, 10 Uhr

«Kennen Sie Schongau, die Gemeinde im Luzerner Seetal auf dem Hochplateau des Lindenbergs im nordöstlichen Teil des Kantons Luzern? Allein schon die Tatsache, dass die ‹Schöne Gegend› eigentlich aus vier Dörfern – Mettmenschongau, Oberschongau, Niederschongau, Rüdikon sowie mehreren Weilern – besteht, weist auf ausgedehnte Landflächen und eine reizvolle Landschaft hin. Wer könnte dieses Dorf (…) nicht idyllisch finden?», fragt Hans Kretz, Autor der 2010 erschienenen umfassenden Ortschronik. Eine weitere Sicht auf das Dorf bietet der von Ulrich Suter zusammengestellte Band «Schongau» mit Fotografien aus dem Bildarchiv der ETH.  – Treffpunkt: Gemeindehaus, Schulweg 1.

Mittwoch, 12. Juli, Schloss Hallwyl, 15 Uhr

Valerianella dentata (L.) Pollich, den gezähnten Ackersalat, oder Liparis loeselii (L.) Rich., die Zwiebelorchis, – die Bestände beider Pflanzen werden als verletzlich eingestuft – pflückte der niederländische Botaniker Reinier Cornelis Bakhuizen van den Brink im Juni 1947 in Seengen. Sein Herbar befindet sich im Naturalis Biodiversity Center in Leiden. Van den Brinks Sammelstücke bilden den Anhang im Band «Seengen» aus der Reihe Die Schweiz lesen – Lire la Suisse – Leggere la Svizzera – Leger la Svizra mit Fotografien aus dem Bildarchiv der ETH. Ausgehend von Schloss Hallwyl, das von Luftpionieren seit den 1920er Jahren immer wieder fotografisch aus der Vogelperspektive aufgenommen wurde, bis hin zum Hotel Brestenberg, wo die Swissair Anlässe feierte, dokumentiert der von Ulrich Suter herausgegebene Band das Dorf in Bildern, die manche Erinnerung wachrufen. – Mit einer Dorfführung durch Max Hächler (Seengen) und Daniel Humbel (Boniswil), Historische Vereinigung Seetal.

Donnerstag, 13. Juli, Hochdorf, 15 Uhr

«Liaisons locales»: Begegnungen mit Kulturschaffenden, die ihre Wurzeln in der Schweiz haben, aber durch Herkunft oder Tätigkeit auch mit ganz anderen Gegenden der Welt verbunden sind. Sie tragen durch ihren weiten Horizont zur kulturellen Vielfalt unseres Landes bei. Solche Bezüge schaffen die Briefe der schwedischen Bildhauerin Natascha Jusopov an den Botschafter Harald Edelstam in Wien, das Wirken des Cellisten Kurt Hess (Beronünster) über die Kontinente hinweg und die interdisziplinäre Arbeit des Clavichordisten Hansruedi Zeder (Hochdorf). – Treffpunkt: Bahnhof.

Freitag, 14. Juli, Celerina, 15 Uhr

«Nu fer lungias istorgias… no culs raps, e que al svelta» – «Keine langen Geschichten… her mit dem Geld, und zwar schnell», heisst es in der amüsanten Geschichte Bagul des 1971 verstorbenen rätoromanischen Schriftstellers Artur Caflisch. Sie findet sich im Sammelband Il Canarin mit Illustrationen des Engadiner Künstlers Giuliano Pedretti (†2012). Dieser stellte den Dichter 1968 auch als Skulptur dar. Caflisch gilt als Erneuerer der rätoromanischen Lyrik und gehörte zum literarischen Freundeskreis der Familie Pedretti. – Adresse: Atelier Turo Pedretti, Via Maistra 36.

Donnerstag, 20. Juli, Calpiogna, 13 Uhr

«Momentum»: Pedro Meier (Niederbipp), Schriftsteller und Multimediakünstler vom Jurasüdfuss, ist ein Chronist des Augenblicks. Seit über 70 Jahren dokumentiert, reflektiert er sein Leben haufenweise mit Notizbüchern; statt Kohlehalden häuft er Worthalden an, ein Bergwerk aus Wörtern und Sätzen:  Skizzenbücher Notizen Diary Logbücher Traumbücher Kladden Romananfänge Sudelbücher Kopfkissenbuch Stundenbuch Klagelieder Tagebücher Nachtbücher Lyrik Manuskripte Essays Hieroglyphen mit Schreibort Niederbipp, Dschungel-Atelier in Thailand & Anderswo. Dazu liest er Gedichte und Hansruedi Zeder (Calspiogna) überführt im ehemaligen Schulhaus Inspirationsmomente aus der Kunst am gebundenen Clavichord in Musik. –  Treffpunkt: Postauto-Haltestelle.

Freitag, 21. Juli, Celerina, 15 Uhr

«Nossa chesa – il chaun – dals utschels – il vegl chavagl da guerra – schlitteda –  schmerdscher laina – la vischinauncha engiadinaisa – la s-chürdüna da glüna e la chevra»: Walter Scheitlins Il pled puter, ein Lehrbuch des Oberengadiner Idioms, greift viele Aspekte aus dem Engadiner Alltag auf. Illsutrationen von Giuliano Pedretti übersetzen diese ins Visuelle und weisen auf grössere bildplastische Arbeiten des Künstlers hin. Eine Spurensuche, die vom Wort ins Leben führt. – Adresse: Atelier Turo Pedretti, Via Maistra 36.

Dienstag, 1. August, Kolding (Dänemark), 9 Uhr

«Es gilt das gesprochene Wort – l’exposé oral fait foi», diese Wendung fängt bei schriftlich niedergelegten Reden die gesprochene Spontaneität auf. Mit dem Talefest bietet Kolding ganz im Geist der alten Volksversammlungen jungen Menschen aus den nordischen Ländern eine Plattform, um das, was ihnen am Herzen liegt, zu artikulieren. Dem Wort als Mittel zum Ideenaustausch und Ausdruck demokratischer Teilhabe kommt auch am Schweizer Nationalfeiertag landein landaus besondere Bedeutung zu. Treffpunkt: Kaerlighedstien.

Mittwoch, 2. August, Falun (Schweden), 15 Uhr

«J’ai eu peur que ma carte ne fût pas arrivée à vous, parce que nous avons lu dans les journeaux qu’il a été de grandes tremblements de terre à Catania», schreibt Anna E-U. am 8. November 1902 auf einer Ansichtskarte dem Horgner Fabrikanten Adolf Feller, der damals in Catania tätig war. Die Karte zeigt den Stora torget der Bergwerkstadt Falun. Hanspeter Bärtschi, Schweizer Industriearchäologe und Fotograf, dokumentierte die Kupferstadt in Dalarna. Seine Bilder und andere Aufnahmen hat Ulrich Suter in einer Publikation mit dem Titel «Falun» in der Reihe Die Welt lesen mit Fotografien aus dem Bildarchiv der ETH zusammengestellt. – Treffpunkt: Stora torget, Speaker’s corner.

Donnerstag, 3. August, Edsbyn (Schweden), 18 Uhr

«Un fiore sboccia / nel segreto abbandono / di un giardino / e il tempo lo salva / in un sigillo» – «En blomma slår ut / i trädgårdens hemliga övergivenhet / och tiden räddar den / i ett sigill»: Nicht nur Blumen, wie in diesem Gedicht des italienischen Lyrikers Gabriele Greco (Örnsköldsvik), entfalten sich an der musikalisch-literarischen Soirée in der Salemkyrkan zu Edsbyn, sondern auch subtile Stücke für Clavichord aus verschiedenen Jahrhunderten, die von der Zeit gleichsam als Siegel überliefert sind. Die Stille der Kirche bietet den Musikern Mayumi Kamata (Stockholm) und Hansruedi Zeder (Hochdorf) an ihren Clavichorden einen passenden Resonanzraum. Sandra Hammar (Örnsköldsvik) besorgte zusammen mit dem Autor die schwedische Übersetzung der Gedichte. – Ort: Salemkyrkan. Södergatan 2.

Samstag 5. August, Stockholm, 11 Uhr

«Mittpunkt»:  Der Autor Hans Harlén hat in seinen Büchern Stockholm nicht nur aus allen Perspektiven beschrieben, sondern auch den geografischen Mittelpunkt der Stadt errechnet. Dieser liegt in Traneberg. Dort kann sich der Besucher auf einer Bank niederlassen und über weitere Aspekte der schwedischen Hauptstadt sinnieren. Der Seetaler Poesiesommer unterstützt Begegnungen dieser Art.  Ort: Bergsringen, Traneberg (Bromma).

Montag, 7. August, St. Urban, Kloster, 17 Uhr

«Forse ci si sente importanti / guardando il tramonto sul mare / perché il riflesso punta sempre / su di te, inesorabilmente» – «Vielleicht fühlt man sich beim Betrachten / des Sonnenuntergangs so wichtig, / weil der Lichtstrahl stets / auf einen zeigt, unentwegt»: Elena Spoerl Vögtli (Lugano) beschreibt in ihren Gedichten, wie der Mensch das Momentane erlebt – und was ihn seit je bewegt. Ihre Lyrik ist greifbar in der zweisprachigen Ausgabe Fenster/Finestre (2014) sowie in den Publikationen Sull’acqua (2016); Bordi (2017); Maschere (2019). – Treffpunkt: vor der Klosterkirche.

Freitag, 11.August, Celerina, 15 Uhr

«… bis der Tumult der Teile zur Vision wird, die äussere Realität zum inneren Bilde sich klärt.» Der Berner Kunsthistoriker Max Huggler bezeichnete den Bildhauer Giuliano Pedretti als «Menschenbildner, wie sich in der Gegenwart so leicht kein anderer, kein eindrücklicherer finden lässt. » Seine Sicht auf das Werk des Künstlers kann vor Originalen überprüft werden.  – Ort: Atelier Giuliano Pedretti, Via Maistra 36.

Sonntag, 13. August, Beinwil am See, 19 Uhr

«Ein seltsamer Strahlenglanz schoss mir da in die Augen, der mich blendete, und ich meinte einen Wasserfall zu sehen und dann etwas Dunkles wie den Umriss der alten Mühle … »: Der Aargauer Lyriker und Privatdozent für klassische Philologie Virgilio Masciadri (1963-2014) stellt im postum erschienenen Roman Lotario sein staunenswertes Erzähltalent und eine überaus lebhafte Phantasie unter Beweis. Die umfassende Belesenheit des Autors und eine intime Kenntnis der antiken Mythen zeichnen dieses hochliterarische Fragment aus.  Cornelia Masciadri (Hunzenschwil) präsentiert an der Ruderboot-Lesung auf dem Hallwilersee Auszüge aus der Neuerscheinung. Treffpunkt: Schiffanlegestelle.

Mittwoch 16. August, Schloss Hallwyl, 15 Uhr

«Schloss Hallwyl auf der Spur»: Der schwedische Historiker Gösta Sandell legte bei seinem Besuch vor einigen Jahren im Schloss Hallwyl eine zeichnerische Fährte. Auch Arno Stern, Begründer des «Malorts», betreibt mit Forschungen rund um die organische Erinnerung eine für unsere Zeit relevante Spurensuche. Carmen Suter-Näf (Schongau) stellt zentrale Ansätze und Anliegen des französischen Denkers und pragmatischen Vermittlers vor. 

Freitag, 18. August, Celerina, 15 Uhr

«Sulettamaing da quels eau d’he invilgia, / chi posan dutsch e lam in quaist zardin, / inua da larmas creschan rös› e gilgia / e güst perque uduran uschè fin.» So hebt das Gedicht Sül sunteri des Oberengadiner Juristen und Sprachforschers Zaccaria Pallioppi an. Men Rauch widmet diesem ein ausführliches Kapitel in Homens prominents ed originals dal temp passà und Giuliano Pedretti schuf 2011 eine Inschrifttafel am Wohnhaus des 1873 verstorbenen Philologen. Pallioppis Gedichte und sein sprachwissenschaftliches Werk bleiben zu entdecken. – Ort: Atelier Turo Pedretti, Via Maistra 36.

Samstag, 19. August, Beromünster, 11 Uhr

« Les premières notes de la Sonate pour Arpeggione de Schubert résonnent, l’entraînant dans un tourbillon de souvenirs. Ils défilent à toute vitesse, telles les notes de l’allegretto, la plongeant dans une mélancolie qui lui fait oublier qu’elle veut écrire sur Vienne. » Die Künstlerin und Ethnologin Florica Marian (Les Diablerets/Riedtwil) bringt eine Erzählung aus Wien, wo sie bei Maria Lassnig studierte, als Mitbringsel zum Besuch beim Cellisten Kurt Hess im Fleckenstein-Chorhof des Stifts Beromünster. – Adresse: Stift 11, Beromünster.

Samstag 19. August, Hohenrain, Turm Roten, 16 Uhr

«…zwischen den kriegen / tanzt noch alte hoffnung / auf versengten füssen / durch namenloses land», heisst es im zweisprachigen Band niemandsland – terre neutre der Lyrikerin Eva-Maria Berg (Waldkirch). Ebenfalls vom Tanz handelt das Stück The Dancing Room des amerikanischen Poeten und Dramaturgen Yehuda Hyman aus Brooklyn/New York. Nach der Aufführung vermittelt Graziella Jämsä (Schongau) eine spontane Reflexion zum Dargebotenen.

Sonntag, 20. August, Schloss Heidegg, 14-17 Uhr  | 21. Schweizer Mundarttag

«Es wär nüt schad, we me di ganz Wält in e Glunggen use schuss, nei, bim Tönschtig wär es nüt me schad! D’Lüt si Chüeh, so wahr dass i Surgrabe-Michel heisse! Sie heuschen ein für alls, es ischt e Schang. Am Meimärit han i wellen e Lammeraue chaufe, aber was glaubit der, was hätt die sölle choschte? Feufhundertachzg Franken uf ei Chlapf u ke Batze minger! Ei Zyt hätt men es styfs Chuehli ubercho derfür, jo’s der Tausig hätt me. Vo de Rosse nume gar nid z’rede: Drüehalbtusig für-n-es halbwägs ordligs Piggerli – däwäg bschiesst alls Gäld nüt meh! … D’ihr cheut mir am Gätzi rätsche», klagt Simon Gfeller (†1943) in der Erzählung «Nei bim Tönschtig nid!» Andreas Bartlome (Herrlisberg) leiht ihm und Mundartautoren anderer Färbung seine Stimme. –  Zum Frutigtütschen hatte die Dichterin Maria Lauber (†1973) eine enge Bindung. Ihr Gedicht Schnyje, enthalten im neu erschienenen vierten Band der Kulturgutstiftung Frutigland, gehört zu ihren schönsten und beginnt so: «Grauwa Tag. Der Wald wi tot. / U d Studi stahn
u schwüge.» Barbara Traber (Worb) hat es von bekannten Übersetzern in andere Sprachen übertragen lassen.– «La sira la mör via … / Adesso pizzum i lücerni: a tegnan cumpagnia. / Sem chi da guardia ai vacch / che viagian in di sögn.» Pino Bernasconi ist neben zahlreichen anderen Poeten aus der italienisch-sprachigen Schweiz in der Anthologie Dialètt che canta enthalten. Cornelia Masciadri präsentiert den Band und zeigt, dass zu den klangvollen Schweizer Dialekten unbedingt auch die Mundarten der südlichen Schweiz gehören. Roberto Bosia (Calpiogna) ist die dialektale Vielfalt des Tessins vertraut. – Über das Katholische in alten Sensler Sagen bis hin zu einem aktuellen Sensler Krimi weiss Christian Schmutz (Radio SRF) zu berichten. – Moderation: Christian Schmutz.

Montag, 21. August, Beromünster, 10 Uhr

«Rencontre avec les artistes / Artist talk»: Eva-Maria Berg (Waldkirch) und Yehuda Hyman (Brooklyn) berichten über ihre fruchtbare literarisch-künstlerische Zusammenarbeit. – Treffpunkt: Hotel Hirschen.

Mittwoch, 23. August, Hochdorf, Regionalbibliothek 19 Uhr

«Forscher der ETH Zürich zählen den Golf von Neapel zu den Supervulkanen und wollen in einer Studie festgestellt haben, dass dieser Krater sich zunehmend mit Magma füllt, was in einer gewaltigen Eruption kulminieren werde. Diese Eruption sei allerdings kaum in den nächsten zwanzigtausend Jahren zu erwarten. Wissenschaftler des Osservatorio Vesuviano widersprechen und meinen, der Entgasungsdruck sei bald erreicht. Schlimmstenfalls löse der Ausbruch dieses Supervulkans einen Tsunami von über hundert Meter Höhe aus, der nicht nur die Küsten rund ums Mittelmeer zerstören, sondern auch weite Gebiete entlang der Rhone und die gesamte Oberrheinische Tiefebene überschwemmen werde. In diesem grösseren Kontext wäre eine weitere Explosion des Vesuvs, die ja auch jederzeit eintreffen könne, geradezu harmlos.» Neapel ist ohne den Vesuv kaum zu denken. Der Schriftsteller Franco Supino (Solothurn) widmete dieser Stadt den Roman Spurlos in Neapel. 1980 bebte dort die Erde – mit Folgen für den Lebensweg des Autors.  

Freitag 25. August, Celerina, 15 Uhr

Ein digitales Abbild von Kunst gibt ein Werk nur oberflächlich wieder. Zum umfassenden Eindruck ist das Original unerlässlich. Die Ateliers von Turo und Giuliano Pedretti laden dazu ein, originale Kunstwerke in verschiedenen Medien in Ruhe zu studieren oder sie literarisch zu beschreiben. Papier und Stift stehen zur Verfügung.

Sonntag, 3. September, Wettingen, 16 Uhr

«Vater war für mich stets ein Mann der Landschaft… und wenn ich am Morgen erwachte, kam er meistens schon aus ihr zurück. Er brachte alle ihre Gerüche mit ins Haus, so stand er da vor meinen noch verschlafenen Augen, mit Gewehr und Beute – oder mit der Fischerrute, er roch nach Wald, Wild und Sumpf, Fisch und herbem Gras, und die ganze Natur schien an ihm zu haften…». Was der Engadiner Bildhauer Giuliano Pedretti über seinen Vater, den Maler Turo Pedretti, schrieb, charakterisiert auch den Künstler Eduard Spörri, der ebenfalls ein Jäger – und ein Freund der Familie Pedretti war. Die von Marc Seidel kuratierte Ausstellung Wau! Tiere als Kunst. widmet sich dem Tier in der Kunst und zeigt Darstellungen von Künstlern verschiedener Generationen. Ort: Museum Spörri, Bifangstrasse 17a.

Donnerstag, 7. September, St. Urban, Kloster, 17 Uhr

«vremurile înainteazā deasupra florilor scuturate // nu compara nimic aici unde focul arde / în preajma lucrurilor utile» – «die Zeiten schreiten über die zerstreuten Blumen fort // vergleiche nichts mit hier, wo das Feuer brennt / in der Nähe der nützlichen Dinge»: Ioan Vieru (*1962 in Târgu Neamt, Rumänien), ist Lyriker, Essayist und Journalist. Er hat zwölf Lyrikbände publizert, u.a. in der Reihe Rumänische Dichter der Gegenwart, sowie Essays, Übersetzungen, Interviews und Kunstkritiken. Seit 1994 leitet er die Zeit-schrift für Literatur und Kunst Contrapunct. In St. Urban liest er aus seinem lyrischen Werk, die deutsche Übersetzung besorgt Florica Marian (Les Diablerets/Riedtwil). – Treffpunkt: Vor der Klosterkirche.

Freitag, 8. September, Celerina, 15 Uhr

«… ich gebe jedem in diesem Raum zehn Minuten Zeit, um diese Skulpturen, die hier stehen, genau zu betrachten. Und dann nimmt jeder ein Blatt Papier und versucht, die wichtigsten Dinge festzumachen. Es wird nicht gelingen», legte der Museumsdirektor und Kunsthistoriker Jean-Christophe Ammann 2005 dem geneigten Publikum im Frankfurter Literaturhaus anlässlich eines Gesprächs mit dem Engadiner Bildhauer Giuliano Pedretti dar. Das Experiment kann am Ort, wo diese Skulpturen entstanden sind, nachvollzogen werden. – Ort: Atelier Giuliano Pedretti, Via Maistra 36.

Samstag, 9. September, Boniswil, 14.30 Uhr

«L’aua es blaua»: Wasser heisst auf Vallader aua. Und Wasser erscheint uns blau. Die Künstlerinnen Regula Verdet-Fierz (Guarda) und Anja Mikulikova (Langenthal) stellen das zentrale Lebenselement in weitere Zusammenhänge. Darüber hinaus steht Wasser mit Recycling, dem Thema der Europäischen Tage des Denkmals, in enger Beziehung. Eine Zusammenarbeit mit der Historischen Vereinigung Seetal. – Ort: Kulturplatz Boniswil, Dörflistrasse 1.

Sonntag, 10. September, Schloss Hallwyl, 11 Uhr

Ein dem Wasser gewidmeter Spaziergang mit Daniel Humbel, Präsident der Historischen Vereinigung Seetal, und den Künstlerinnen Regula Verdet-Fierz (Guarda) und Anja Mikulikova (Langenthal) zum Kulturplatz Boniswil an der Dörflistrasse 1, wo unser Lebenselement an den Europäischen Tagen des Denkmals eine künstlerische Würdigung erfährt.  Um 14.30 Uhr führen die beteiligten Künstlerinnen durch die Ausstellung. – Treffpunkt: Schloss Hallwyl, 11 Uhr.

Montag, 11. September, Hochdorf, 10 Uhr

«Kulturmontage»: Eine Plattform für das Erproben des Zusammenspiels verschiedener Künste, gleich einer Montage, die Werke und künstlerische Ideen in einen Prozess mit offenem Ausgang führt und nicht Ausformuliertes in nuce experimentell zur Sprache bringt. Mit Regula Verdet-Fierz (Guarda) und Hansruedi Zeder (Hochdorf). Ort: c/o Zeder Lehmann, Urswilstrasse 29.

Freitag, 15. September, Celerina, 15 Uhr

«Men Tapun, il paur da Calögna, avaiva darcheu üna jada gnü furtüna sün la chatscha», beginnt die Erzählung Las Trais Cruschas da Men Tapun des Ingenieurs und Dichters Men Rauch (†1958) aus Scuol. Eine Gipsbüste im Atelier von Giuliano Pedretti erinnert an den begabten Unterengadiner. Men Rauch war der Künsterfamilie Pedretti freundschaftlich verbunden; er verfasste nicht nur Jagdgeschichten, sondern auch lebendige Porträts von prominenten Leuten aus dem Engadin – und eine Anleitung zum Anfertigen von Holzschnitten. – Ort: Atelier Giuliano Pedretti, Via Maistra 36.

Montag 18. September, Hochdorf, 10 Uhr

«Kulturmontage II»: Eine Plattform für das Erproben des Zusammenspiels verschiedener Künste, gleich einer Montage, die Werke und künstlerische Ideen in einen Prozess mit offenem Ausgang führt und nicht Ausformuliertes in nuce experimentell zur Sprache bringt. Mit Beatrice Hauenstein (Langnau i.E.) und Hansruedi Zeder (Hochdorf)– Ort: c/o Zeder Lehmann, Urswilstrasse 29. 

Freitag, 22. September, Celerina, 15 Uhr

«Eu craj cha tuot que nun ais pussibel in nossa cuntredgia, cun tuot quels extrems, dad ot e bass, dad agressivited da fuormas e glüsch.» In einem Brief aus Südfrankreich, datiert am 21. Dezember 2001, berichtet der Bildhauer Giuliano Pedretti über Besuche der Ateliers von Cézanne, Renoir und Picasso – und den Einfluss der Landschaft und des Lichts auf die Kunst. Im Engadin seien die Voraussetzungen des künstlerischen Schaffens indes verschieden, die landschaftlichen Formen aggressiver, das Licht anders. Pedrettis Beobachtungen ermöglichen Rückschlüsse auf sein eigenes Werk, in dem Licht und Schatten eine zentrale Rolle spielen. – Ort: Hotel Cresta Palace, Garten.

Samstag, 23. September, Poschiavo, 12.30 Uhr

«Dio me ne guardia da un bon Fevrè.» – «Gott behüte mich vor einem schönen Februar.» Pfarrer Georg Leonhardi aus Brusio notiert diese Redensart in seinem 1859 erschienenen Werk Das Poschiavino-Thal und schreibt: «Alte Leute behaupten, dass sich das Klima bedeutend verschlimmert habe… Die Sonne und die lauen Lüfte Italiens erzeugen noch jetzt in Poschiavo bisweilen auffallende Erscheinungen, z.B. reife Erdbeeren im October, blühende Rosen in offenen Gärten zur Weihnachtszeit…».  Welche Entdeckungen der Ort am 23. September 2023 bereithält, weiss nur, wer sie selber macht und zu Blatt bringt. Die Poesiesommer-Reihe Die Schweiz schreiben – Écrire la Suisse – Scrivere la Svizzera – Scriver la Svizra lädt dazu ein, sich Zeit für das eigene Schreiben zu nehmen und Poschiavo mit einer Prosaskizze, einem Haiku oder einer tagebuchartigen Notiz schreibend zu begegnen. – Treffpunkt: Casa Tomé, Via di Puntunai 15.

Montag, 25. September, Hochdorf, 10 Uhr

«Kulturmontage III»: Eine Plattform für das Erproben des Zusammenspiels verschiedener Künste, gleich einer Montage, die Werke und künstlerische Ideen in einen Prozess mit offenem Ausgang führt und nicht Ausformuliertes in nuce experimentell zur Sprache bringt. Ausgehend von Werken des Künstlers René Böll (Köln) schlägt Hansruedi Zeder am Flügel den Bogen von Farbklängen zu Klangfarben. Eine beflügelnder Versuch mit Bildern und Tönen.– Ort: c/o Zeder Lehmann, Urswilstrasse 29.

Mittwoch, 27. September, Sent, 14 Uhr

«La giassa ais stipa / at ferma ün mumaint / la prescha dal muond / nu’t renda cuntaint»: Eine Hausinschrift in Sent lädt den Passanten ein, einen Augenblick zu verweilen – Eile mache nicht glücklich. Jon Pult, der die Inschrift verfasste, erwähnt im Aufsatz Inscripziuns sün chasas da Sent, dass es in der Gemeinde Sent die meisten Hausinschriften im ganzen Engadin gebe. Für Inspiration bei diesem Besuch im stattlichen Unterengadiner Dorf ist somit gesorgt. Wer immer in den steilen Gassen Begegnungen macht, halte sich an eine weitere Inschrift: «Salüdast a mai, schi salüd eu a tai. / E’ns dain ün a l’oter ün raz da sulai.» Ein Gruss entfaltet in diesem schönen Idiom wahrlich eine Wirkung gleich einem Sonnenstrahl. –Treffpunkt: Sent Plaz, beim Brunnen.

Freitag, 29. September, Gersau, 12 Uhr

«Det är bokstavligen ett överjordiskt landskap mot vilket koskällsidyllen däruppe under björkarna blir banal» – «Das ist buchstäblich eine überirdische Landschaft gegen welche die Kuhglockenidylle dort oben unter den Birken banal wirkt», lobt August Strindberg in der Erzählung Upp till solen die Aussicht auf die Schneeberge von den Höhen Gersaus, die er an einem tristen Novembertag 1886 erklomm, nachdem sich die Sonne während seines Aufenthalts am Vierwaldstättersee während drei Wochen nicht gezeigt hatte. Welche Perspektiven der Ort am 29. September 2023 bietet, erfährt nur, wer sie selber wahrnimmt und zu Blatt bringt. Die Poesiesommer-Reihe Die Schweiz schreiben lädt dazu ein, sich Zeit für das eigene Erkunden zu nehmen und Gersau mit einer Prosaskizze, einem Haiku oder tagebuchartigen Notizen schreibend zu begegnen. – Treffpunkt: Schiffstation.

Freitag, 29. September, Anglikon, 19.30 Uhr

Das Damselfly Trio mit Liz Pearse (Sopran), Chesea Czuchra (Querflöten) und Lindsay Buffington (Harfe) konzertieren mit der Lyrikerin Ingrid Fichtner im Atelier Christine Hinrichs. Platzzahl beschränkt  (Anmeldungen an: chelseaczuchra(at)gmail.com). – Adresse: Im Winkel 3, 5611 Anglikon.

Sonntag, 1. Oktober, Den Haag, Scheveningen (Niederlande), 16 Uhr

«Wereld»… «eld»: In vielen Sprachen und Rätseln spricht das Meer; Woge um Woge verdichtet sich das Denken wenn am Strand eine züngelnde Welle die in den Sand geschriebene «Welt» zu «Feuer» löscht. So ergibt sich im vagen Spiel der Wellen manch ein Gedicht. – Ort: Strandpaviljoen De Staat, Zuiderstrand 4.

Freitag, 6. Oktober, Celerina, 15 Uhr

«Eau vuless scriver ün cudesch… L’algord in sias variantas in dependenza dals mumaints.» In einer Arbeitsnotiz äussert der Bildhauer Giuliano Pedretti (1924-2012) den Wunsch, ein Buch zu schreiben: Seine autobiografischen Notizen legen Zeugnis von der sprachlichen Begabung des Künstlers ab und veranschaulichen, was er an einer Stelle als Richtschnur seines Schreibens formulierte, nämlich die Erinnerung in ihren Varianten in der Abhängigkeit der Augenblicke zu fassen. Seine Aufzeichnungen aus dem Jahr 1968 sind noch heute aktuell und lesenswert. – Ort: Atelier Giuliano Pedretti, Via Maistra 36.

Samstag, 7. Oktober,  St. Urban, Kloster, 17 Uhr

«das Wort / ist ein Gold / auf Seegrund / ich tauche nach ihm / gegen den Widerstand / des Auftriebs»: Beatrice Hauenstein (Langnau i.E.) liest aus ihren unveröffentlichten Gedichten. Eine sinnliche, nachdenkliche Stimme spricht aus dieser sorgfältigen Lyrik, die in «Wellenbewegungen» entstanden ist. Nach dem Vorkurs an der Gewerbeschule in Luzern arbeitete die Innerschweizer Autorin als Korrektorin bei der Zeitung Vaterland/LZ/NLZ. – Treffpunkt: Vor der Klosterkirche.

Dienstag, 10. Oktober, Loro Ciuffenna (Italien), 11 Uhr

«Se è vero che noi siamo un divenire, / cos’è che ci trasforma, / cos’è che in noi si somma, / che incolla i giorni l’uno all’altro / a farci quello che siamo, / è quand’è che si ferma ogni mutare», beginnt das Gedicht L’irrequietezza (Hegel: Enc. 88) des Lyrikers Vito Taverna (*1929), Gründer des Archivio Nazionale della Poesia inedita di Monterchi und des Convegno Nazionale della Poesia. Es handelt vom Werden und fragt danach, was uns verändere und zu dem mache, was wir sind. Der Bildhauer Venturino Venturi fertigte 1953 ein Bildnis des Dichters Taverna an. Dieses ist im hiesigen Museum ausgestellt. Zur Arbeit des Porträtierens wiederum passen Hegels Gedanken über die Philosophie als «Lehre, den Menschen von einer unendlichen Menge endlicher Zwecke und Absichten zu befreien und ihn dagegen gleichgültig zu machen». – Treffpunkt: Museo Venturino Venturi, Piazza Matteotti 2.

Freitag, 13. Oktober, Celerina, 15 Uhr

Blättern in einer Künstlerbibliothek. Neben seiner Arbeit als Bildhauer war Giuliano Pedretti ein eminenter Kenner der Engadiner Kultur. Die Gründung des Oberengadiner Kulturarchivs war eine seiner nachhaltigen Initiativen. Inspirierend ist ein Blick in die Büchersammlung des belesenen Künstlers. Adresse: Atelier Giuliano Pedretti, Via Maistra 3.

Montag, 16. Oktober, Hochdorf, 18.30 Uhr

«Musée imaginaire – Jedem sein Tier»: Die aktuelle Ausstellung der Künstler Martin Gut und Nina Stähli im Kunstraum Hochdorf, kuratiert von Henri Spaeti, steht unter dem Titel homo animalis. In Wettingen hat der Kunsthistoriker Marc Seidel bei seiner Schau Wau! Das Tier als Kunst Erfahrungen über das Tierische in der Kunst gesammelt und teilt diese Gedanken und Visionen im Kunstraum Hochdorf mit. – Adresse: Lavendelweg 8.

Donnerstag, 19. Oktober, Celerina, 18.30 Uhr

«… und bis heute sind unter allen Wundern der Welt wir uns als Menschen immer noch das grösste und das am wenigsten gelöste Rätsel geblieben», konstatierte der bedeutende Schweizer Kunsthistoriker, Museumsleiter und Universitätsprofessor Max Huggler (†1994) anlässlich der Eröffnung einer Giuliano Pedretti-Ausstellung 1975 im Ulmer Museum. Die druckfrische Biografie Ein Leben für die Kunst des Berner Kunsthistorikers Michael Baumgartner bietet überraschende Einsichten in die von Anschauung geprägte Gedankenwelt Max Hugglers. 1933 verantwortete dieser u.a. die grösste Ausstellung zu Lebzeiten von Ernst Ludwig Kirchner. Ort: Hotel Cresta Palace.

Mittwoch, 25. Oktober, Baldegg, Klosterherberge, 17 Uhr

«Esser vorrei sol canto / e nulla più. / Parola mormorata al vento / e subito dispersa. / Morir così.», schreibt Plinio Martini (†1979) im Gedicht Aspirazione. Zum 100. Geburtstag des Tessiner Dichters hat Christoph Ferber eine Auswahl von dessen Gedichten übersetzt. Das obige lautet in der Übersetzung mit dem Titel Wunsch so: «Nur Gesang / und nichts anderes sein. / In den Wind gemurmeltes, / sogleich entschwundenes Wort. / So sterben.» Die Verlegerin Irène Bourquin (Caracol Verlag) stellt den Band E in ogni crepa dorme una lucertola – Und in jeder Ritze schläft eine Eidechse vor. Zudem liest sie aus ihrem eigenen lyrischen Werk. – Adresse: Alte Klosterstrasse 1. (SBB-Haltestelle: Baldegg Kloster)

Samstag, 28. Oktober, Schloss Hallwyl, 15 Uhr (Schlossführung 13.30 Uhr)

«… Auch wenn man es heftig schlug, unser Eisen / wurde kein Gold: doch heftiger zischt es / heute im Herzen (…) / wie der Wein, wie die Sonne, / die Sanftheit der fügsamen Tage, das Leben / in erhaltenen und verlorenen Dingen, und es reichte uns, / Samstag am Abend, der Tanz und die Heiterkeit / eines beendeten Festes.», schrieb 1964 der Italienischbündner Autor Grytzko Mascioni (†2003) im Gedicht Erinnerungsheft des ausgewanderten Schmieds, das in der Übersetzung von Christoph Ferber (Ragusa) im Band Diaspora des Herzens – Diaspora del cuore, erschienen 2023 in der editionmevinapuorger, auch auf Italienisch nachzulesen ist. Herausgeberin dieser verdienstvollen Lyrikedition ist Mevina Puorger (Ramosch / Zürich). Für ihre uneigennützige verlegerische Arbeit und den Einsatz für die rätoromanische Literatur wird sie mit dem Premio Masciadri 2023 ausgezeichnet. Der von Cornelia Masciadri überreichte Preis wird im Gedenken an Virgilio Masciadri, Aargauer Schriftsteller und Privatdozent für klassische Philologie, seit 2016 alljährlich im Rahmen des Seetaler Poesiesommers im In- oder Ausland verliehen. – Gryztko Mascioni war auch in Schweden, was den Bogen zum Bänkelsänger Carl Michael Bellman schlägt. Bellmann lebte im 18. Jh und ist, wie vom Schauspieler Leif Olsson (Götene) zu erfahren sein wird, in Schweden eine Ikone – so wie der naive Künstler Lim-Johan, um dessen Werk sich Torbjörn Lang (Edsbyn) Verdienste erworben hat und dafür zum Schluss dieses anregenden Kulturnachmittags auf Schloss Hallwyl den Prix Winkelried erhält. Auch das musikalische Programm mit Hansruedi Zeder (Hochdorf) kostet schweizerisch-schwedische Bezüge aus, mit Kompositionen aus beiden Ländern. Vorgängige Schlossführung mit Daniel Humbel (Boniswil) um 13.30 Uhr. – In Zusammenarbeit mit der Historischen Vereinigung Seetal.

Beromünster, ehem. Landessender

«Europawäldli»: Ein Kulturprogramm im Zeichen des internationalen Austauschs. Seit 2014 werden beim ehem. Landessender (heute: KKLB) unter der Ägide des Poesiesommers Bäume für die europäischen Kulturräume gepflanzt: eine Birke für Schweden und eine Eiche für Polen (2014), eine Blutbuche für Belgien und eine Rosskastanie für Frankreich (2015), eine Rottanne für Italien und eine Eiche für Spanien (2016), eine Buche für Dänemark und eine Rotbuche für Liechtenstein (2017), eine Silberweide für Österreich und eine Schwarzpappel für die Niederlande (2018), eine Eibe für Grossbritannien und eine Birke für Finnland (2019), ein Gingko für Deutschland und ein Schlehdorn für Irland (2020), eine Schlangenhautkiefer für Bulgarien und ein Wacholder für Estland (2021), ein Seidelbast für Griechenland und eine Linde für Rumänien (2022). Heuer kommen zu Ehren von Kroatien und Serbien zwei weitere Bäume und ihre Geschichten dazu. Adresse: KKLB, Landessender 1. Die Pflanzung findet am 17. November statt.

Sonntag, 5. November, Bergamo (Italien), 16.30 Uhr

Die in Bergamo lebende Aargauer Künstlerin Clara Müller (†1929) war ein Malergenie. Der Kunsthistoriker Marc Seidel zeigt Beispiele aus ihrem Nachlass, der in Lenzburg aufbewahrt wird. Im literarischen Teil stehen Gedichte auf Deutsch, Französisch und Italienisch des Aargauer Lyrikers und Altphilologen  Virgilio Masciadri (Rezitation: Cornelia Masciadri) und der Tessiner Lyrikerin Elena Spoerl-Vögtli auf dem Programm. Eine musikalische Uraufführung bildet den Höhepunkt des spartenübergreifenden Kulturanlasses: Die Mezzosopranistin Veronika Dünser und der Pianist Luca de Grazia aus Wien führen den Liederzyklus «Erdenschönheit» auf. Er basiert auf Gedichten von Christian Morgenstern in der Vertonung der Österreicherin Gerda Poppa. – Eine Zusammenarbeit mit der Società Svizzera Bergamo. – Ort: Teatro del CUT (Centro Universitario Teatrale) bei der Kirche Sant’Andrea, Via Porta Dipinta 37, Bergamo. (Bus 1 oder 1A, Haltestelle «Mura»)

Dienstag, 7. November,  St. Urban, Kloster, 17 Uhr

«Beim Vorübergehen die sanfte Helligkeit / der südlichen Ausstrahlung in mir aufnehmen / auf Wegen bei denen ich mich / beim Träumen verliere», heisst es in einem Gedicht von Kurt Ruch (Olten). Der pensionierte Sekundarlehrer veröffentlicht seine Lyrik erstmals in einem Band mit  dem Titel Verweilen im Augenblick. – Treffpunkt: Vor der Klosterkirche.

Freitag, 17. November, Beromünster, ehem. Landessender, 14 Uhr

«Europawäldli»: Ein Kulturprogramm im Zeichen des internationalen Austauschs. Seit 2014 werden beim ehem. Landessender unter der Ägide des Poe-siesommers Bäume für die europäischen Kulturräume gepflanzt: eine Birke für Schweden und eine Eiche für Polen (2014), eine Blutbuche für Belgien und eine Rosskastanie für Frankreich (2015), eine Rottanne für Italien und eine Eiche für Spanien (2016), eine Buche für Dänemark und eine Rotbuche für Liechtenstein (2017), eine Silberweide für Österreich und eine Schwarzpappel für die Niederlande (2018), eine Eibe für Grossbritannien und eine Birke für Finnland (2019), ein Gingko für Deutschland und ein Schlehdorn für Irland (2020), eine Schlangenhautkiefer für Bulgarien und ein Wacholder für Estland (2021), ein Seidelbast für Griechenland und eine Linde für Rumänien (2022). Heuer kommen zu Ehren von Kroatien und Serbien ein wilder Kirschbaum und ein Nussbaum samt ihren Geschichten dazu. – Adresse: KKLB, Landessender 1.

Sonntag, 26. November, Hunzenschwil, 11 Uhr

«Imaginez une chambre, juste une chambre. Assez petite pour aller jusqu’au bout de la pilure des jours. Avec suffisamment de vacuité pour donner place à ce qui vient du dehors, aux voix remontant de la rue. Une chambre d’où espérer, contempler l’horizon», schreibt Françoise Matthey (Les Reussilles) im Kurzprosaband À peine un petit mouchoir bleu. Zuvor verfasste sie Le transparent, eine poetische Annäherung an Niklaus von Flüe, dessen Klause im Ranft ebenfalls ein Ort der Meditation war. Cornelia Masciadri (Hunzenschwil) hat Auszüge daraus übersetzt und trägt die Texte zusammen mit der Autorin zweisprachig vor. – Adresse: Atelier für Buch- und Papierrestaurierung Martin Strebel, Bahnhofstrasse 15. (Vis-à-vis Bahnhof Hunzenschwil)

Sonntag, 26. November, Anglikon, 15 Uhr

«… Das Menschenleben gleicht einem Käse. Wenn ein Käs auf die Welt kommt, wenn ihn der Senn mit starkem Arm aus dem Kessi hebt, so schlägt er ihn zuerst in leichte Tücher ein, er wird in einen Reif gebunden; er wird mit Steinen beladen, damit er eine rechte, schöne Form bekomme; später wird er gesalzen, damit er schmackhaft werde; wochenlang muss er fast täglich gereinigt und wieder gesalzen werden und erfordert eine sorgfältige Pflege. „Ecce jam incipiunt mysteria“ – „sieh, hier beginnen die Geheimnisse!“ […] Ist es mit dem Menschen nicht auch so? », fragt der Obwaldner Pfarrer Josef Ignaz von Ah in seiner berühmten Käsepredigt zum Aelplerfeste anno 1875. Pirmin Meier (Aesch LU) stellt ihm weitere Klassiker zur Seite und schlägt den Bogen zum Aargauer Autor Markus Kirchhofer (Oberkulm), der aus seinem Roman Das Planetenrührwerk liest. Der Titel bezeichnet die Gerätschaft der Käseharfen, die sich in der eingedickten Milch wie Planeten um ihre eigene Achse drehen. Dazu passt auch der Genius loci des Ateliers von Christiane Hinrichs, das früher Standort einer Käserei war. – Adresse: Atelier Christiane Hinrichs, Im Winkel 3, Anglikon. (Bushaltestelle: Anglikon Zentrum)

Mittwoch, 29. November, 18 Uhr

«Il volto fatto d’ossa, atlante. » – «Ein Gesicht aus Knochen, Atlant.»: Kurz und treffend beschreibt der Tessiner Autor Massimo Daviddi (Mendrisio) den italienischen Dichter und Filmregisseur Pier Paolo Pasolini im Gedicht Il volto di Pasolini. Der Autor liest zusammen mit Cornelia Masciadri daraus vor, was Bezüge auch zur Porträtmalerei von Giampaolo Russo (Zürich) schafft. Peter Zemp (Morbio Inferiore) begleitet die zweisprachige Veranstaltung musikalisch. Eine Atelierveranstaltung mit beschränkter Platzzahl. – Adresse: Atelier Giampaolo Russo, Südstrasse 81, 8008 Zürich.

 

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Eintritt: Fr. 15.- / Schweizer Mundartag Fr. 25.-

Reservationen / Anfragen sind erbeten an: ulrich.suter.kultur@bluewin.ch

 

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Peter Halter Stiftung
Kulturkommission Hochdorf
Vereinigung Pro Heidegg
Historische Vereinigung Seetal